Hinrich Lühmann

„Die Erkenntnis hat nichts erledigt, es braucht eine nächste Geschichte.“

Beitrag zur Matinée für Jutta Prasse am 8. November 2014

Mit einer Matinée erinnerte die Berliner Freud-Lacan-Gesellschaft am 9. 11.2014 an die 2004 verstorbene Psychoanalytikerin Jutta Prasse. Mitglieder dieser Gesellschaft, Freunde und Wegbegleiter haben in kurzen Vignetten ihren Lieblingstext vorgestellt. Ich wählte ihren, so weit ich weiß, letzten Text: "Was ist wirklich geschehen? Zur Kriminalgeschichte in der Psychoanalyse".

Ihre Frage "Was ist wirklich geschehen?" wird zu einer sehr grundsätzlichen, die über Kriminalroman und Psychoanalyse hinausweist. Jutta Prasses Aufsatz endet mit dem Satz: "Die Erkenntnis hat nichts erledigt, es braucht eine nächste Geschichte". Die Wucht dieses Satzes liegt für mich in seiner erschütternden Grundsätzlichkeit. Er stellt alles in Frage oder besser: er befragt alles, was wir uns so zurechtlegen - ob wir nun hochgescheite Theorien bilden oder über Erkenntnisse, über Gewissheiten zu verfügen meinen. Er relativiert alle -ismen, alle Denk- und Glaubensgebäude, in denen wir uns so gerne einhausen. Aber er weist in keine Sackgasse, sondern weist auch den Weg unserer conditio humana: wir müssen immer wieder neu erzählen, immer wieder müssen wir neu-einsetzen.

Ich denke, unter dieser Not und Nötigung stand Jutta Prasse. "Die Erkenntnis hat nichts erledigt, es braucht eine nächste Geschichte".

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Vignette über Jutta Prasse: "Was ist wirklich geschehen? Zur Kriminalgeschichte in der Psychoanalyse"
Zum Gedenken an Jutta Prasse 2014 Beitra[...]
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Der Aufsatz Jutta Prasses, den ich in dieser Vginette nur kurz referiere und kommentiere, ist hier veröffentlicht:

 

Jutta Prasse: Sprache und Fremdsprache. Psychoanalytische Aufsätze.  Hg. von Claus-Dieter Rath. Bielefeld (transcript-Verlag) 2004, S.183 - 193.